Ist da jemand?

Einsamkeit. Erklärtermaßen ein Alleinstellungsmerkmal. Behaftet mit Scham, die als ständige Begleitung das Alleinstehen vertuscht. Von außen nicht sichtbar, wird das Gefühl der Einsamkeit zu einem Käfig, der nur von innen zu öffnen ist.

Samstag, 17. Dezember: Es ist kalt. Wir klammern uns an die wärmenden Tassen, flüchten uns in lustige Geschichten. Wir genießen. Noch vor einem Jahr war das nicht möglich. Ein: „Hey Lisa“, unterbricht unser Gespräch und verdoppelt unsere Gruppe im Umfang. Man begegnet sich nun auch wieder zufällig. Was für ein Glück. Claudi ist eine Arbeitskollegin von Lisa und mir sympathisch. Wir unterhalten uns. Beiläufig erwähnt sie, dass sie noch nicht lange in Erfurt lebt. „Ich bin 2020 pünktlich mit der Pandemie in Erfurt angekommen“, sage ich meinen Spruch, der einen unglücklichen Fakt mit Witz verkauft. „War bei mir auch so“, sagt Claudi. Ich bin überrascht. Dasselbe Merkmal. Nichts zu vertuschen für die Scham. Also spreche ich es aus: „Hast du dich auch so einsam gefühlt in dieser Zeit?“ „Ja.“ Wir lächeln uns an, brauchen keine weiteren Worte. Der Stein, der von unseren Herzen fällt, ist deutlich zu hören.

Sonntag, 18. Dezember: Ich denke darüber nach, was gewesen wäre. Hätte ich den Mut gehabt, mich zu outen, hätte ich Menschen mit demselben Merkmal gefunden. Einen ganz sicher, dass weiß ich jetzt. Es wäre leichter gewesen. Nur hatte ich den Mut nicht. Claudi auch nicht. Und die anderen vermutlich auch nicht.

Freitag, 28. Januar: Heute eine tolle Entdeckung gemacht: Echtjuterladen! Das ich noch entdecken kann, ist wohl, was man Glück im Unglück nennt. Eine Stunde stöbern und probieren. Besonders der Schmuck hatte es mir angetan. Auf dem Weg zur Kasse sehe ich eine Box. Darüber: „Hello new people“. Ich lese die Erklärung. Zum Mitmachen schreibe ich etwas über mich auf eine Postkarte. Ich suche mir eine Postkarte aus der Box, hinterlege dafür meine. Ich erhalte die Kontaktdaten der Person hinter der Postkarte. Ich freue mich ihr zu schreiben, bin gespannt, wen meine Postkarte findet. Begeistert verlasse ich den Laden. Diese Aktion ist eine Lösung. Diese Aktion, die die Verbindung von Einsamkeit und Scham aufbricht, die den Menschen im Käfig Mut zuspricht, die von außen hilft die Tür zu öffnen.

Schreibe einen Kommentar