Freitagabend. Ich sitze im Kino. Letzte Reihe. Neben mir zwei junge Frauen – ich schätze Anfang zwanzig. Das Licht geht aus, der Vorhang öffnet sich. In circa 30 Minuten wird ein in Deutschland produzierter Film laufen. Ein nicht ganz ungefährliches Vorhaben also. Meine Schwäche für den Hauptdarsteller garantiert in diesem Fall einen Mehrwert. So nehme ich es gelassen und lehne mich zurück. Es läuft beruhigend gewöhnlich. Nach den Worten: „EIS! Wer möchte ein EIS“ folgt eine kurze Pause, dann laufen die Trailer. Ein Ozean, liebliche Musik. „Ariel ist jetzt schwarz“, sagt die junge Frau neben mir voll von Vorwurf zu ihrer Begleiterin. „Wenigstens die roten Haare hätten sie ihr lassen können“, erwidert diese nicht weniger vorwurfsvoll. „Wow“, denke ich. Würde ich nicht dieselbe Sprache sprechen, ich wäre überzeugt, die beiden Frauen beklagen hier eine wirkliche Ungerechtigkeit, wie etwa die Missachtung der Menschenrechte im Iran oder den Krieg in der Ukraine.
„Frag doch einfach mal, was das Problem ist, eventuell übersiehst du ja was“, spricht mein Verstand mich an: „Du hattest dir doch vorgenommen, dich bewusst in Toleranz zu üben.“ Also drehe ich mich zu meiner Sitznachbarin: „Was ändert sich denn mit dem äußeren Erscheinungsbild von Ariel?“ Ich ernte einen abschätzigen Blick. Sie findet es wohl nicht so passend, dass ich mich in das Gespräch einmische. „Ich hab nix gegen Schwarze. Sie sieht nur eben überhaupt nicht aus wie Ariel“, sagt sie. „Also ist es ungewohnt und passt nicht zu deinem Bild?“, frage ich. „Ja genau“, sagt sie. „Vielleicht gewöhnst du dich ja dran“, sage ich fragend. Der Film geht los.
„Das lief doch gut“, zeigt sich mein Verstand zufrieden: „Jetzt haben wir den eindeutigen Beweis, warum sich das Aussehen von Ariel ändern muss, warum wir auf Vielfalt achten und unsere Sprache neutral wählen müssen – damit die Bilder in den Köpfen endlich bunt werden.“
Der Film gefällt mir. Ich muss schmunzeln. Bin gerührt. Die Schlussszene zeigt den Hauptdarsteller. An der Hand hält er sein Kind. Das Kind, am Tag der Geburt als biologisch männlich deklariert, trägt ein Kleid. Die beiden laufen. Der Kameraausschnitt vergrößert sich und unter dem Polizeihemd des Hauptdarstellers kommt ein Rock zum Vorschein. „Wie süß!“, quickt es neben mir. Ich spüre Hoffnung.