Es ist okay

Wir stehen in unserer Küche, Shania Twain voll aufgedreht. Es riecht verführerisch nach schwitzender Zwiebel. Du hast den Plan, ich assistiere dir. Unsere Handgriffe folgen dem Takt. Wir tänzeln an der Küchenzeile, lächeln uns an und rufen: Man! I Feel Like A Woman! In diesem Moment bin ich glücklich. Erschrocken frage ich mich: Sollte ich es sein?

Glückliche Momente waren in den letzten Jahren dünn gesät. Jeder ist für sein Glück verantwortlich. Okay, challenge accepted. Positive Einstellung, Vertrauen, Dankbarkeit, Achtsamkeit, ich habe an mir gearbeitet. Die große Veränderung blieb aus: Was fehlt? – Gemeinschaft. Ich hatte die richtige Einstellung, ich wollte – ich war zu viel allein. Also kündigte ich meine Wohnung und zog in eine Wohngemeinschaft. Obwohl ich spürte, dass er richtig war, kostete mich dieser Schritt Kraft. Denn er führte mich weiter weg vom Höhenweg, zu dem seit Jahren alle pilgern und den ich mit Mitte dreißig doch auch endlich gehen wollte. 

Ab und an erwische ich mich bei dem Gedanken, ich könnte ihn noch erreichen, wenn ich mich umdrehe. Aber der steile Anstieg ängstigt mich. Und mit den ersten Schritten weg vom Höhenweg zeigt sich das Tal. Es ist grün und lebendig, ja auch etwas schattig und kühl, aber da, wo die Sonne hinkommt, unglaublich bunt. Dort sehe ich kleine Wege. Sie sind verschlungen, sehr viel länger, oft schwer begehbar. Doch es gibt sie. Bevor ich sie gehen kann, muss ich den Abhang hinunter. Das ist unangenehm erschreckend und aufregend reizvoll.

Wir haben das Fenster geöffnet. Auf der Straße ruft ein Junge nach seiner Mama. Ich spüre ein kurzes Ziehen im Magen. Nicht für jeden ist alles drin. Gerade bin ich glücklich. Vielleicht halte ich mich erst mal daran fest, während ich nach unten klettere.

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