Vor kurzem saß ich in einem Restaurant. Ich war etwas zu früh dran, was wirklich nicht oft vorkommt, und wartete auf Lisa, mit der ich zum Abendessen verabredet war. Das Restaurant war voll und alle Tische belegt. In der Adventszeit gehen Menschen besonders gern zum Essen aus und ich war etwas stolz, dass ich daran gedacht hatte zu reservieren. Als eine junge Frau – im Schlepptau ein Mann mit Babytrage inklusive Baby – dass Restaurant betrat, sprang die Frau am Nebentisch auf, umarmte sie flüchtig und streckte Kopf und Arme begleitet von hohen Pieps-Geräuschen dem, zugegeben sehr niedlichem, aber völlig abwesend wirkendem, Baby entgegen. „Das ist dann wohl die stolze Oma“, dachte ich mit einem Lächeln auf dem Gesicht. „Hallo Peter“, wandte sich die junge Frau der noch immer sitzenden männlichen Begleitung der Oma zu. „Also wenn ich es nicht sehen würde, würde ich denken, du trägst es immer noch mit dir rum.“
Ich war fassungslos (ohne Lächeln im Gesicht). Hatte der das gerade wirklich gesagt? Mir wurde warm und mein Puls legte eine Schippe drauf: „Dieser Körper hat gerade ein Wunder vollbracht. Etwas wozu du nie im Stande wärst. Schäm dich und versinke im Boden!“ – Leider habe ich diese Worte nur gedacht. Und auch die junge Frau setzte sich wortlos. Die stolze Oma hatte nicht mehr zu bieten, als dem Mann mit einem kleinen Hieb in die Seite zu ermahnen und ihr Partner? Naja, der hielt es wohl auch nicht für seine Aufgabe, sich schützend vor die Frau zu stellen, die ihm gerade ein Kind geschenkt hatte.
Hätte ich etwas sagen sollen? Ich weiß es nicht. Hätte ich der Frau so geholfen? Oder hätte sie die Aufmerksamkeit noch mehr beschämt? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass ich unglaublich wütend bin und mir diese Szene nicht mehr aus dem Kopf geht.
Und dann musste ich an ein Zitat denken, dass ich vor kurzem in einem Buch über Nelson Mandela gelesen hatte: „Es war noch nie meine Art, Worte leichtfertig zu verwenden. […] Die Stille der Einsamkeit hat uns gezeigt, wie kostbar des Menschen Worte sind und wie wirklich, weil sie Einfluss darauf haben, wie Menschen leben und sterben.“ Dieses Buch heißt: Meine Waffe ist das Wort. Wie effektiv diese Waffe ist und was geschieht, wenn man sie leichtfertig nutzt, das wurde mir an diesem Abend im Restaurant demonstriert.
Und dann wurde mir klar: Ein Mensch, der einen Treffer erlitten hat, ist nicht in der Lage zurückzuschießen. Deshalb ist es wichtig, dass es Verbündete tun.