Im Rahmen des Young Storyteller Award 2023 habe ich mein erstes Buch geschrieben: Gegenüber wartet eine andere Welt. Es handelt – wie soll es anders sein – von Begegnungen. (Ist einfach das Thema meines Herzchens.) In zehn Geschichten erzähle ich von Begegnungen, die mich in den letzten drei Jahren geprägt haben.

„Was passiert mit dem Leben, wenn man die Begegnungen streicht? Bei dieser auf zwei Jahre angelegten Studie waren wir alle ungefragt Proband*innen.“Eine Trennung, ein Umzug, ein Virus: Isolation. Die Bedeutung selbstverständlicher Dinge zeigt sich am deutlichsten durch deren Verzicht. Zeit, da mal genauer hinzusehen. Ein Loblied auf die Begegnung, komponiert aus kleinen Geschichten des Alltags.“
Damit du dir einen Eindruck machen kannst, hier eine kleine Leseprobe. Sie umfasst Ausschnitte aus vier der zehn Erzählungen.
Leseprobe
(...)Seit Stunden unterhalten wir uns. Na ja, eigentlich redest du. Ich schaffe es nicht, dich zu unterbrechen. Deine Worte sind so wohltuend. Ich bin fasziniert, wie du sie aneinanderreihst und zu deiner eigenen, unverkennbaren Sprache werden lässt. Also hole ich mir einen Tee, wickle mich in meine Wolldecke und höre dir weiter zu. Manchmal bist du ganz sanft, deine Worte sind leicht, rutschen durch mich hindurch und bereiten mir ein wohliges Gefühl. An anderen Tagen bist du nachdrücklich, dann stoße ich mich an deinen Worten, komme ins Grübeln. Du streust versteckte Botschaften. Ich würde gern erfahren, was du meinst. Doch Fragen beantwortest du nicht, du stellst sie nur. Die Antworten muss ich selbst finden. Aber das ist okay. (...)„Ey, warum kann ne Frau nicht gleichzeitig schön und schlau sein?“ Ich schaute ihn ungläubig an, was ihn nicht davon abhielt, diese äußerst intelligente Frage aufzulösen. „Na, weil se dann‘n Mann wäre.“ Mit funkelnden Augen und breitem Grinsen schaute mich Alfred an. Ich brauchte kurz, um zu realisieren, dass das gerade wirklich passierte. Dann haute ich mir dreimal auf den Oberschenkel, drehte mich um und ging. „Na prima, wenn das die nächsten Tage so weiter geht, dann muss ich wohl straffällig werden“, dachte ich und setzte mich in den Kleinbus zu den anderen Teilnehmenden. (...)Ich saß zwischen zwei zusammengerollt schlafenden Japanerinnen, als Lena gegen drei Uhr morgens zu mir kam und fragte, ob ich mit an die frische Luft möchte. Während unserer Steh- und Dehnpause auf dem Bahnsteig, kam ein Mann auf uns zu. „Ihr seid aus Deutschland, oder? Ich bin Tom.“ Wir kamen ins Gespräch, freuten uns alle über ein wenig Abwechslung. Tom wollte wissen, was wir in Japan machen. Er ist für zwei Monate hier, sein Arbeitgeber hat einen Standort in Tokio. Das macht er jedes Jahr im Frühjahr und im Herbst. Seinen Urlaub nutzt er, um durchs Land zu reisen. „Das heißt, du machst niemals irgendwo anders Urlaub?“, fragte Lena. (...)Endlich sah ich es, das Schild, dass Erlösung versprach. Ich setzte den Blinker und fuhr ab. Nachdem ich auf Toilette war, holte ich mir ein Eis. „Wenn ich schon mal hier bin, dann kann ich auch eine kleine Pause machen“, dachte ich. Es war ein schöner Tag. Keine Wolke am Himmel. Ein sanfter Luftzug, der der Sonne gerade genug Kraft nahm. Also ging ich raus und setzte mich neben mein Auto. Ich war auf dem Weg nach Berlin, wollte einen Freund besuchen, die nächsten Tage mit ihm verbringen. Wir hatten uns lange nicht gesehen und ich freute mich auf ihn. Nachdem ich aus Japan zurück war, gab es diese große Leere in mir. Ich konnte es nicht verstehen, fühlte mich antriebslos. „Wieso bist du nicht glücklich? Was du alles erleben durftest. Sei mal ein bisschen dankbar!“ Der vernünftige Teil meines Kopfes war enttäuscht vom emotionalen, was den weiter abrutschen ließ.
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