Das Kind in mir ist ein Millennial

„Bist du Feministin? -Ja.
Findest du, dass Menschen in allen Farben und Formen schön sind? - Sicher.
Wieso behandelst du dich selbst so abwertend? -...“

Dieses Konfliktgespräch führe ich seit Jahren mit meinem Gewissen. Meine eigenen Ansprüche machen mir das Leben schwer. Dann ändere Sie! Aber ich komme nicht ran, sie liegen so tief …

Seit 36 Jahren leistet mein Körper tolle Arbeit, obwohl ich ihn nicht immer fair entlohnt habe, ja sogar Überstunden ohne Gegenleistung habe ich gefordert. Diesen Körper schimpfe ich, wenn er kleine Polster über wichtige Organe legt, wenn er Pigmente, die von Erfahrung zeugen, auf meine Wange zeichnet. Das ist unfair und lieblos, dass weiß ich. Und trotzdem sind da immer mal wieder diese negativen Gefühle, wenn ich in den Spiegel blicke. Ich kann diese Gefühle aushalten und einordnen, aber ich bin nicht frei von Ihnen. Warum ist das so?

Meine prägenden Jahre waren die 00er-Jahre. Eine Zeit, die Kurven und Körperfett als Inkarnation der Abscheulichkeit verachtete und die Liebe eines Mannes als beste Überlebenschance einer Frau ansah. Meine Vorbilder erzählten mir:

  • Ich weiß nicht, wie ich ohne seine Liebe leben soll, ich bin geboren, um ihn zu lieben.
  • Nur er kann mich wieder ganz machen.
  • Ich bin ein Barbie-Girl, er kann mich überall ausziehen, mein Leben ist seine Kreation.

Dabei trugen sie tiefe Dekolletés, freie, muskulöse Bäuche und Hosen, die unter den herausstechenden Hüftknochen hingen. Und ich: glaubte ihnen.

Ja: Auch zu dieser Zeit gab es starke Frauen, die für ihre Rechte einstanden. Aber auch sie unterwarfen sich den Trends der Zeit. Während sie sich als Single Lady im Big Apple behauptete, konnte Carrie es einfach nicht lassen, sich für die Liebe von Mr. Big zu demütigen. Und die fantastischen Gilmore Girls hielten ihre abgemagerte Linie, indem sie tonnenweise Junkfood in sich reinschaufelten.

Es ist also kein Wunder, dass mein inneres Kind traurig und verzweifelt ist. Es will mich vor einem vermeidlich unglücklichen Leben schützen. Denn ich besitze keinen Mann, dafür Körperfett. Die erwachsene Katha ist unabhängig und stark. Sie hat erkannt, dass Frauen ein bisschen Selbstliebe und gute Freundinnen brauchen. Dass sie sich wohlfühlen, aber nicht geißeln sollten. Dass sie sich ihr Leben so gestalten können, wie sie es sich wünschen und sie dann einen oder mehrere passende Menschen fürs Leben oder so lange es eben gut ist, finden können.

Ich finde Body Positivity ist eine perfekte Wortkombination, habe mich aber damit abgefunden, dass mein Körper auch mal negative Gefühle hervorruft. Und wenn es so weit ist, dann wiege ich mein inneres Kind und singe leise:

I don't know how to live without my love, I was born to make me happy …

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